Markus Osterhaus | 0541 4401 3803 | Psychologische Beratung | Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz

Raus aus der Negativspirale

„Ziehen wir eine Bilanz!“

In meinen Klientengesprächen stelle ich gerne die Frage nach der aktuellen Bilanz der Beziehung. Ich möchte herausarbeiten, was an der Beziehung im Hier und Jetzt vorhanden ist, und nicht das was in der Vergangenheit gut oder schlecht war – und das möglichst wertfrei. Es ist erstaunlich, wie viele positive Aspekte doch immer wieder gefunden werden. Die schönen Urlaube, das Heim, die Kinder, die gemeinsamen Hobbies und vieles mehr. Auf meine nächste Frage nach der prozentualen Gewichtung der guten und schlechten Anteile erhalte ich erstaunlicherweise oft eine Antwort das 70 – 80% der Beziehung eigentlich ganz gut sind. Doch warum fallen gerade die verbleibenden 20-30% so stark negativ ins Gewicht? Wie kann dieser doch deutlich kleinere Anteil einen so großen Leidensdruck erzeugen?

Wir Menschen bewerten negative Aspekte oft höher als positive, ein alter, tiefsitzender Schutzmechanismus. Glück führt aus Sicht der Evolution nicht unmittelbar zum Erhalt der eigenen Art. Aus diesem Grund hat die Evolution es so eingerichtet, dass wir Negatives weit schneller und intensiver empfinden als Positives. Für die Arterhaltung des Menschen ergab dieses einen Sinn, da wir vermutlich nur deshalb überlebt haben, weil sich unsere Vorfahren vorwiegend auf das konzentriert haben, was schieflaufen kann, und nicht auf das, was gut geht.

In unserem heutigen Leben hat diese Vorgehensweise allerdings ihre Bedeutung verloren, ja ist geradezu hinderlich. Viel zu oft verstricken wir uns in negativen Gefühlen und Mustern, die uns daran hindern ein glückliches Leben zu führen – bedauerlicherweise besonders in Beziehungen. So wird die Bilanz viel negativer eingeschätzt, als sie eigentlich sein könnte – das Glas ist nur noch halb voll.

„Ist das, was mich gerade an meinem Partner ärgert, nächste Woche noch von Bedeutung?“

Ereignisse selber haben keine Bedeutung – erst wir schreiben dem Ereignis eine individuelle Bedeutung zu. Somit haben wir es in der Hand, denn wir haben die Wahl, dem Ereignis auch eine andere, eine positivere Bedeutung zuzuschreiben.

Machen wir uns den Effekt der Umdeutung zunutze. Immer dann, wenn wir Dinge in einem neuen Zusammenhang betrachten, kommen wir der Lösung des Problems näher.

Reframing ist ein Umdeutungsprozess den wir unbewusst jeden Tag unzählige Male machen. Wir beobachten, machen eine Wahrnehmung und interpretieren diese vor dem Hintergrund bestimmter Denkmuster, Erwartungen, Zuschreibungen und Tagesform und verpassen ihnen damit einen Rahmen. Bedauerlicherweise zu häufig einen negativen Rahmen – aus den bereits zuvor genannten Gründen.

Das nachstehende Bild illustriert diesen Vorgang treffend. Objektiv betrachtet ist das Glas im Bild zu Hälfte voll und zur Hälfte leer – dennoch kann jeder Mensch dem Bild eine andere Zuschreibung geben.

„Ist Reframing eine konstruktive Veränderungsstrategie oder doch nur Selbstbetrug?“

Sehr schnell kann Reframing dahingehend kritisch hinterfragt werden, ob es nicht eine schöne Beschreibung für Selbstbetrug ist? Letztendlich könnte sich jeder mit dieser Technik – sofern falsch angewandt – ziemlich alles schönreden.

Bei der Umdeutung geht es eben nicht um Realitätsverweigerung oder darum, schlechte Gefühle wie Wut und Trauer schnell und einfach wegzudrücken. Selbstbetrug, Realitätsverweigerung oder noch extremer – eine Selbstverleugnung – können auf Dauer zu gravierenden Schäden an der Gesundheit führen. Eine konstruierte Wohlfühlatmosphäre wird nicht lange halten und die erforderliche, nachhaltige Veränderung wird nicht stattfinden.

„Jeder sei seines Glückes Schmied!“

Um den Ablauf und die Methode des Reframings kurz vorzustellen nehmen wir folgendes Beispiel aus der Berufswelt:

Sie haben auf die Bewerbung für eine neue Arbeitsstelle eine Absage erhalten. Ihnen ist Ihr Traumjob, mit dem sie so viel Hoffnung verknüpft haben, durch die Lappen gegangen – ein Schlag vor den Kopf, eine schlechte Nachricht. Die Gefühle, die damit verbunden sein können wie Ärger, Wut, Enttäuschung, Frustration, Angst können wir uns alle gut vorstellen.

Wenn Sie sich jetzt einreden: „Ich wollte die Stelle eh nicht.“  – Thema erledigt, dann wäre das eine Form von Selbstbetrug. So könnte man die, mit der Absage einhergehenden unangenehmen Gefühle schnell weg „drücken“. Die Chance einer kritischen Selbstreflektion ist damit aber auch vertan.

Die Frage nach dem „Warum?“ ist allerdings auch nicht weitreichend genug. „Warum gerade ich?“, „Bin ich nicht gut genug?“, „Was habe ich falsch gemacht?“ – sind zu sehr auf das Problem zentriert, damit drehen wir uns im Kreis.

Wer indessen Reframing betreibt, dem ergeben sich ganz neue Aspekte und Sichtweisen.

„Wer weiß schon, wofür es gut ist.“ Dieser schlichte Satz steht nicht für Pessimismus, Aufgeben oder Entmutigung, sondern für den zentralen Ansatz im Reframing – die Frage nach dem „Wofür?“ zu stellen.

„Entwickeln Sie einen aktiven Optimismus!“

Das „Wofür?“ zielt nicht auf das Problem, sondern auf den Kontext und den möglichen neuen Rahmen für die Situation:

  • „Wofür ist es gut, dass ich den Job nicht bekommen habe?“ -> „Eine andere Arbeit könnte mir noch viel bessere Entwicklungsmöglichkeiten geben!“
  • „Wofür ist es gut, hier zu bleiben?“ –> „Ich brauche den Wohnort nicht zu wechseln und behalte meinen Freundeskreis!“
  • „Wofür kann ich diese Erfahrung nutzen?“  –> „Ich lerne mit Ablehnung besser umzugehen!“

„Wir können unseren Partner nicht ändern, nur uns selbst!“

Auch negativen Beziehungserfahrungen, können Sie die Frage: „Wofür ist es gut?“ zugrunde legen. Das mag angesichts heftiger Krisen in Beziehungen sehr demütigend wirken, hat aber einen praktischen Hintergrund. Reframing kann Ihnen dabei helfen, Dinge wieder gerade zu rücken, Unabhängigkeit zu erlangen und Handlungsspielräume zu eröffnen. Sie entwickeln ein besseres Selbstwertgefühl und packen Ihre Ziele an. In einer Partnerschaft kann das dazu führen, dass sie aus der Passivität, der Opferrolle heraus wieder ihre Souveränität zurückerhalten und Augenhöhe entsteht.

Wenn Sie wollen können Sie sich über das Verhalten Ihres Partners weiterhin ärgern und Ihn negativ sehen:

  • „Mein Partner verbringt zu viel Zeit mit seinen Hobbies, lässt mich viel alleine oder verbringt immer zusätzlich zur Arbeit noch seine Zeit mit den Freunden.“

 

Wieviel besser wäre es nun, dem Ganzen einen anderen, positiven Rahmen zu geben?

  • „Endlich habe ich die Zeit und suche mir ein neues Hobby oder lege wieder mehr Wert auf meine Gesundheit und mein Wohlbefinden.“
  • „Ich lerne jetzt mit mir selber im besseren Einklang zu leben und werde emotional unabhängiger.“
  • „Ich habe mehr Zeit für Menschen und Dinge, die ich in der Vergangenheit vernachlässigt habe.“
  • „Ich sorge dafür, dass die verbleibende Zeit mit meinem Partner zur Qualitätszeit wird.“

„Unterscheiden Sie zwischen Auslöser und Ursache!“

Wir können davon ausgehen, dass die meisten Kränkungen in der Partnerschaft nicht mit Absicht geschehen. Beim Ärgern über das Verhalten einer anderen Person sollten wir wissen, dass unsere Verärgerung zwar durch das störende Verhalten ausgelöst, aber nicht verursacht wird. Die meisten sogenannten Trigger haben mit dem Partner nichts zu tun, sondern in der Regel mit uns selber. So unangenehm es sich anfühlt, es bleibt wahr: „Wie allein sind für unsere Emotionen verantwortlich, niemand sonst!“

Auf die Frage „Wer oder was ärgert Sie?“ lautet die zutreffende Antwort: „Ich ärgere mich.“  – und so entscheide ich mich auch lange verärgert zu bleiben, oder eben nicht

Systemisch gesehen ist eine Partnerschaft sehr gut mit einem Mobile darzustellen – wir sind derart miteinander verbunden, das sich aus einer Veränderung bei einem Partner, einem Teil des Mobiles, auch ein Impuls auf den anderen Teil der Partnerschaft (oder das gesamte System der Familie) ergibt.

Das störende Verhalten kann durch Umdeutung verständlicher und damit als weniger negativ empfunden werden. Das dem anderen zuteilwerdende Verständnis und die geänderte Haltung kann durchaus bewirken, dass er sein Verhalten von sich aus ändert.