Markus Osterhaus | 0541 4401 3803 | Psychologische Beratung | Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz

Die Ursachen für viele Streitigkeiten in der Partnerschaft – Bewertung und Interpretation

„Ich sehe was, was Du nicht siehst!“

Wenn zwei Menschen etwas betrachten, haben beide ihre ganz individuelle Wahrnehmung.

Wer sieht eigentlich das „Richtige“? Ich glaube, keiner von beiden, es ist jeweils eine subjektive Realität.

„Die Landkarte ist nicht die Landschaft.“ (Alfred Korzybski)

Zwei Menschen, zwei Landkarten – Streit und Ärger beginnen manchmal bereits bei der Beschreibung eines Sachverhalts, also der Landschaft. Hintergrund hierfür sind die folgenden unterschiedlichen Kommunikationsebenen:

  • die Sachebene nimmt lediglich einen kleinen Teil, der zwischen 10 bis 20% der Kommunikation liegt, ein
  • die Beziehungsebene bildet den weitaus größeren Teil von 80 bis 90%

Wir sind es gewohnt, Sachverhalte nicht neutral oder objektiv, sondern in Form unserer eigenen Meinungen wiederzugeben. Ungeachtet dessen, ob der Gesprächspartner anderer Meinung ist. Im Resultat wird scheinbar über Sachverhalte diskutiert und im schlimmsten Fall sogar aufs heftigste gestritten. Keiner der beiden Kontrahenten realisiert in diesem Augenblick, dass es sich im Grunde um Missverständnisse handelt und um Gefühle, die das Ergebnis unerfüllter oder verletzter Bedürfnisse sind.

Um den eigentlichen Sachverhalt und die Meinungen auseinanderhalten zu können, ist es hilfreich, eine Beobachtung von einer Bewertung oder Interpretation trennen zu können. In der Paartherapie schule ich häufig im Rahmen eines Kommunikationstraining die Unterscheidung zwischen Bewertung und Interpretation.

Dieses Beispiel zeigt die Unterschiede:

  • „Meine Frau hat ein Essen gekocht, das salzig schmeckt“. Beobachtung.
  • „Meine Frau hat das Essen liebevoll/ lieblos gekocht,“. Interpretation.
  • „Das Essen, das meine Frau gekocht hat, schmeckt gut/schlecht“. Bewertung.

Hier wird deutlich, wie schnell vor allem negative Interpretationen und Bewertungen zu einem – wahrscheinlich unnötigen – Streit über eine Beobachtung führen können.

Allerdings gebe ich zu bedenken, dass es keine Garantie dafür gibt, dass selbst eine rein objektive Äußerung einer Beobachtung ohne negative Konsequenzen bleibt. Es steht ja dem Gesprächspartner immerhin noch die Möglichkeit offen, die Bemerkung „Die Suppe schmeckt salzig“ als Beleidigung zu interpretieren.

Zusätzlich erschwerend ist, dass der weitaus größte Teil der Botschaft nonverbal kommuniziert wird. Dazu gehören beispielsweise die Körpersprache, Mimik und der Klang der Stimme. Gerade die nonverbale Kommunikation läuft häufig unbewusst ab. Auch wenn wir nicht sprechen, senden wir unsere Stimmung durch unsere Haltung und unseren Gesichtsausdruck nach außen.

An dieser Stelle ist zu bemerken, dass einer der Gesprächspartner alleine die Möglichkeit in den Händen hält, das Gespräch entgleisen zu lassen. Für eine wohlwollende Kommunikation in der Partnerschaft ist der Wille beider Partner nötig.

Was ist eine Beobachtung?

Eine Beobachtung ist eine sinnlich wahrnehmbare Tatsache, welche von mindestens einem der fünf Sinne wahrgenommen wird und ist als Sinneseindruck immer wertungsfrei. Um zu überprüfen, ob es sich um eine Beobachtung handelt, muss ich mindestens eine der Fragen mit „JA“ beantworten können:

  • Kann ich es hören?
  • Kann ich es sehen?
  • Kann ich es riechen?
  • Kann ich es ertasten?
  • Kann ich es schmecken?

Was ist eine Interpretation?

Bei einer Interpretation verbinde ich den Sinneseindruck immer mit einer bestimmten „Deutung“.

Bei der Aussage „Mein Mann sieht mir in die Augen“, handelt es sich um eine Beobachtung.

Durch „Mein Mann sieht mich böse, aggressiv, lustig, traurig etc. an“, wird diese Beobachtung zu einer Interpretation.

Interpretationen sind somit immer Folgerungen oder Auslegungen, aber keine Fakten. Das zeigt schon der Umstand, dass man ein und dieselbe Beobachtung völlig unterschiedlich interpretieren kann. Die persönliche Interpretation ist immer nur eine von vielen möglichen Schlussfolgerungen aus einer Beobachtung!

Was ist eine Bewertung?

Eine Bewertung bezieht sich – ähnlich wie die Interpretation – auf eine Beobachtung. Bei einer Bewertung kommt dazu, dass die Beobachtung nicht nur gedeutet wird, sondern mit einem Werturteil verbunden, eine Beurteilung abgeben wird.

„Du hast diesen Monat 1000 € ausgegeben“ ist eine Beobachtung.
„Du kannst mit Geld nicht umgehen“ macht aus der Beobachtung eine Bewertung.

Die Bewertung ist insofern noch „realitätsferner“ als die Interpretation, da zusätzlich ein positives oder negatives Urteil mit abgegeben wird.

Gut zu wissen:

Die Intention eines Menschen kann niemals aus den fünf Sinneseindrücken abgeleitet werden – das wäre ja Gedankenlesen bzw. der berühmte Blick in die Glaskugel, was in der Paarkommunikation oftmals fatale Auswirkungen hat. Sobald einem Menschen eine Intention unterstellen wird, dass er z. B. etwas absichtlich, mutwillig, böswillig, unbewusst usw. getan hat, ist es immer eine Interpretation/Bewertungen und keine Beobachtung!